Schmerzschrittmacher in MHH implantiert

Am 27.10.22 wurde mir während einer rund 3-stündigen OP ein Schmerzschrittmacher implantiert.

wie kam es dazu?

In der Sendung Visite (die ich bei interessanten Themen schaue) vom 23.8.22 war eines der Themen Polyneuropathie. Dieser Teil der Sendung wird im folgenden gezeigt.

Visite mit Polyneuropathie
Quelle: MediathekView

Insbesonders der Teil mit der älteren Dame, die nach der OP des Schmerzschrittmachers auf Morphin verzichten konnte lies etwas Hoffnung aufkeimen, dass das auch für mich eine Option wäre. Nicht dass ich schon auf Morphine bin, Schmerzmäßig aber oft kurz davor.

Sendung Visite mit Interview

Polyneuropathie: wenn die Nerven verrückt spielen

was wurde gemacht?

An der Wirbelsäule/den Nerven wurden unter örtlicher Betäubung Elektroden angebracht (3 x nachspritzen, bevor Betäubung wirkte). Während der OP entschieden wir uns zusammen aufgrund der hohen Wirksamkeit den Schrittmacher ebenfalls unter örtlicher Betäubung zu implantieren. Die verschiedenen Vorgehensweisen sind aus den weiter unten verlinkten Artikeln zu entnehmen.

ein paar Details

Nachdem ich nach der Sendung Visite weiter etliche Beiträge gegockelt und gelesen hatte, erkundigte ich mich Anfang September in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), ob in der Neurochirurgie Schmerzschrittmacher implantiert würden. Die Frage wurde bejaht, und so hatte ich gleich einen Termin am 29.9. für ein Vorgespräch vereinbart. Es wurde schnell klar, dass ein Schmerzschrittmacher bei mir in Frage käme – also hatten wir einen Termin für die OP am 18.10. vereinbart. Während des Gesprächs fragte mich die sehr nette Oberärztin, warum nicht schon viel früher mein Neurologe etwas wegen meines LWS unternommen habe. Jetzt sei es wohl vermutlich zu spät.

Am 14.10. vormittags rief ich in der Klinik an, um das Aufnahmeprozedere auch wegen Corona zu erfragen (war ein Tipp einer Bekannten). Der OP-Termin wurde bestätigt, Aufnahme sollte am 17.10. sein (ausgerechnet an diesem Tag sollte bei uns der Fahrstuhl repariert werden!). Etwa 15 Minuten später erfolgten ein weiterer Anruf, dass aufgrund neuer Bettenplanung die Aufnahme respektive OP um einen Tag verschoben wurde. Glück gehabt wg. des Fahrstuhls…

gepackt

Gegen frühen Mittag, nach etwa 3,5 Std., war ich das erste mal nach dem Aufnahmeprozedere in der MHH auf der Station Neurochirurgie. Dort, auf dem Flur vor der Station wurde mir Blut abgenommen, ebenso gab es dort das Aufklärungsgespräch mit dem Narkosearzt. Ein weiteres fand nach dem erfragten Mittagessen in einem beengtem Büro auf der Station statt.

MHH

So gegen 15 Uhr wurde ich auf eine andere Station verlegt – für die Nacht hieß es, weil kein Bett auf Station frei sei. So eine Station, wo quasi erstmal die Kinnlade runterklappte.

Abends hieß es, meine OP würde am nächsten frühen Vormittag erfolgen, und mir wurden die OP-Klamotten bereit gelegt.

vor OP

Um 7:26 Uhr den nächsten Morgen kam eine Schwester, und bat mich die OP-Klamotten anzuziehen. Einer dieser „mir-alles-egal-Pillen“ gab es nicht. 20 Minuten später wurde ich zum OP-Saal gerollt. Dort war der OP-Tisch bereits mit einer wärmenden Unterlage präpariert, auf der ich in Bauchlage sehr lange sehr ruhig liegen sollte. Meine Arme wurden dazu auch auf jeweils einer Unterlage dafür abgelegt.

Proportional zur Dauer der OP nahmen die Schmerzen zu. Als am Spinalkanal gearbeitet wurde, meinte jemand wohl mehr im Scherz, dass das der Schmerz sei, den Schwangere während eines Kaiserschnitts ertragen müssen. Dass ich dagegen 24 Stunden am Tag (gut, bis auf Schlafenszeit nicht), 365 Tage im Jahr, und das seit zig Jahren habe, sei ja wohl etwas anderes, entgegnete ich. Nach gefühlten 2 Std. und etlichen Versuchen die Elektroden optimal zu platzieren war mir zum heulen zumute, und ich meinte „hätte ich den Scheiß bloß nicht angefangen“. Eine streichelnde Hand auf meinem Kopf war in dem Moment mehr als beruhigend.

Nachdem die Elektronen so platziert waren, dass sie eine mega tolle Wirkung allem voran in meinen Füßen zeigte (was die Schmerzminderung angeht), aber auch in beiden Beinen, wurde die Wunde zugenäht und versorgt. Als nächstes dann wurde der eigentliche Schmerzschrittmacher auf der linken Rückenseite oberhalb der Hüfte implantiert (im Fettgewebe). Ein wirklich unangenehmes Gefühl Finger in einer Wunde wahrzunehmen, die die richtige Stelle ertasteten.

Gegen Mittag war ich dann erlöst und kam wieder auf die Station, auf der ich echt vom Glauben abgefallen war. Dort fanden direkt neben dem Krankenzimmer Asbest-Baumaßnahmen statt. Die Plane im Bild war an einem Morgen zerfetzt und stand offen. Die Stäube wollten wir Patienten uns nicht wirklich vorstellen.

nach OP neben Zimmer unglaublich lauter Baulärm

Un-er-träg-lich war dieser Lärm mit Stemmhämmern und/oder vermuteten Sägen. Auch deshalb, weil es die nächste Nacht recht munter auf dem Zimmer zuging. Ein 84jähriger semmelte alle paar Stunden quer durchs Zimmer und an die Betten, um 5 Uhr rief er allen freudestrahlend zu, dass es nun Frühstück gäbe.

Zwischenzeitlich wurde mein ganzes Gepäck, was ich zur OP auf dem 1. Zimmer zurücklassen musste, auf die neue Station gebracht. Ausgepackt war ja eh nichts.

nach OP neues Zimmer

Meine OP-Schmerzen empfand ich als sehr heftig (Zugang sowieso), und sprach schon vorab mit der netten Oberärztin, dass ich nach der OP ausreichend Schmerzmittel brauchen würde, was sie abnickte. Die Schwester brachte später allerdings nach meiner Bitte um Schmerzspritze lediglich Paracetamol – das Zeugs wirkt bei mir wie Pfefferminszdrops. Nach erneuter Bitte und Anruf seitens der Schwester gabs eine Spritze (alle 6 Std.) die endlich meine Schmerzen ertragen ließen.

wo OP erfolgte

Die Feineinstellungen/das Justieren des Schmerzschrittmachers mit einer äußerst freundlichen jungen Dame der Herstellerfirma mussten wir Nachmittags nach der OP aufgrund meiner Schmerzen abbrechen. Dies erfolgte am nächsten Morgen darauf. Das Justieren erfolgt über ihren Firmen-PC mit Bluetooth-Verbindung.

Ich war total happy, und die Tränen kamen, nachdem nach einigen Versuchen der Einstellungen meine Füße plötzlich sooo weit runter mit Schmerzen waren, wie seit vielen Jahren nicht mehr! Es kann sich vermutlich niemand richtig vorstellen, wie es ist, vom ständig hohem Schmerzpegel 8-9 plötzlich runter auf etwa Schmerzstufe 3 zu kommen!

Nach der Einstellerei wurden noch Zubehör und vor allem das Steuergerät selbst erklärt.

Steuerung Schmerzschrittmacher

Etwas später, zur Visite, hatten die Oberärztin und ich uns auch aufgrund des unerträglichen Lärms aber vordergründig des guten Erfolges wegen für den Nachmittag auf die Entlassung geeinigt. Total toll lief es mit der Bereitstellung eines Taxenscheins und auch der Entlassungsbrief kam wie von selbst (ich hab schon Krankenhäuser erlebt, wo ich fast einen Tag auf den Brief gewartet hatte, und der dann doch nicht fertig wurde). Ab OP soll ich mich nun 6 Wochen schonen, und Anfang Dezember vorstellig werden zur Nachuntersuchung.

Der Akku im Schmerzschrittmacher wird je nach eingestellter Stufe ein paar Monate halten, dann soll ich einen Schmerzschrittmacher eingesetzt bekommen, dessen Akku kontaktlos aufladbar ist. Ich weiß nicht, warum nicht gleich solch ein Schmerzschrittmacher eingesetzt wurde.

zu Hause

Seitdem ich zu Hause bin, teste ich, wie stark wann die Impulse mit dem Steuergerät eingestellt werden müssen, um eine Wirkung mit dem implantierten Schmerzschrittmacher zu erzielen. Das Steuergerät erlaubt eine Impulsstärke von 0-100% in groben Prozentsprüngen. Je höher der Impuls, desto stärker das kribbeln in Beinen und Füßen, und desto eher werden Schmerzen „überlagert“.

Es gibt kein festes Muster, bis auf die Tatsache, dass ich die Impulse des Schrittmachers Nachts um ca. 40-50% reduzieren muss, da das in Ruhestellung „störend“ wirkt. Die Schmerzen sind trotzdem reduzierter, als ohne Schmerzschrittmacher. Es gibt auch deshalb kein festes Muster für die Einstellung am Schrittmacher, weil die Schmerzen Tagesformabhängig sind, und anderen Gegebenheiten – wie z.B. zum Abend hin meist Schmerzzunehmend.

Festgestellt habe ich auch, dass meine rechte Seite ab Hüfte wieder stärker schmerzt, als meine linke. Heftig zugenommen haben zwei Stellen: a) in der Leiste, b) unterhalb der rechten Hüfte zum Ischias hin. Da weiß ich oft nicht, ob ich stehen oder liegen soll (meist erst ab Nachmittags)…

Zudem ist mir seit der OP der links eingesetzte Schmerzschrittmacher beim Schlaf „lästig“, da ich „Seitenschläfer“ bin. Auf dem Bauch zu liegen ist ein no go. Ich hoffe, dass sich da nochmal etwas ändern lässt, was die Position des Schmerzschrittmachers angeht.

Mir ist aufgefallen, dass meine Standunsicherheit sich verbessert hat, und ich kann für kurze Zeit mal auf den Zehenspitzen stehen; auf eine Trittleiter würde ich mich trotzdem nicht wagen zu stellen. Mit meinen Füßen und dem unteren Teil der Beine komme ich nun deutlich Schmerzfreier über den Tag, und Abends sind im Ruhezustand die Schmerzen signifikant weniger. Längere Strecken zu gehen ist allerdings nach wie vor nicht drin (bedingt durch LWS und Muskelabbau). An sich ist das für mich ist das eine Verbesserung, aber die Noch-Schmerzen wiegen das wieder aus. Aber das wird ganz sicher auch noch.

Achja: zu den Situationen in den Krankenhäusern schreibe ich nichts. Das sollte jedem bekannt sein. Trotzdem waren alle Beteiligten – auch als ich da lauthals wegen des unerträglichen Lärms gebrüllt hatte, was das für eine Scheiße ist – stets ruhig, gelassen und freundlich, was sich letztlich auch übertragen hatte.

PS: vielen Dank an dieser Stelle nochmals an Vural für seinen gutgemeinten „Fast-Besuch“ und den kleinen „Fast-Mitbringseln“ 😉

MHH

beim Röntgen

beim Röntgen

essen und trinken

und wie alles begann

Wie alles begann: Schmerz – eine Herausforderung