is‘ was Doc

Vor kurzem sah ich wieder mal den Spielfilm „is‘ was Doc?“, was mich aufgrund einer kleinen Szene veranlasste, meine Erlebnisse ab 25.9.2014 zu schildern.

Die Szene spielt zum Ende des Films im Gerichtssaal.

Simon: „Ich bin Doktor“
Richter: „Doktor?“
Simon: „Doktor der Musik“
Richter: „Können Sie ein Radio reparieren?“
Simon: „nein“
Richter: „dann halten Sie den Mund“

Meine kürzlichen Erlebnisse als Patient schildere ich im Gegensatz zu den vergangenen öffentlich, weil mein Wunsch ist, so anderen zu zeigen, was alles suboptimal stattfinden kann. Ich schildere hier nicht alles, weil es Seiten füllen würde…

Begonnen hatte alles am 25.9.2014 im Laufe des Tages. Meine Schmerzschübe (Ganzkörperschmerz) nahmen kontinuierlich zu. Kopfarbeit und Arzneien halfen nicht, nur die Hoffnung, das die Schmerzschübe sich legen würden. Das trat nicht ein, worauf ich gegen 18 Uhr den Notarzt anrief. Dieser war jedoch erst ab 19 Uhr telefonisch erreichbar − um 18:45 Uhr erreichte ich einen Mitarbeiter, der schilderte, das die Ärztin erst ab 21 Uhr einen Hausbesuch abstatten könne (Schmerzmittel hatten mittlerweile die Wirkung von Tic-Tac).

Schmerzbild

Deshalb begab ich mich umgehend in unser Krankenhaus in die Notaufnahme (ca. 19 Uhr). Ausgestattet mit meine iPad und dem darauf befindlichem Schmerztagebuch, sowie weiterer darauf enthaltener Unterlagen, um den Schmerzverlauf der Vergangenheit visualisiert präsentieren zu können. Nach der üblichen Patienten-Aufnahme dauerte es ca. 1,5 Std., bis sich eine Ärztin blicken ließ. Auf ihre Frage nach der Höhe meines Schmerzes und meiner Anwort äußerte die Ärztin, das sie meinen Schmerz nicht glaube, denn dann hätte ich mich nicht auf dem Flur auf und ab bewegt, und auf meinem iPad „gespielt“. Meine Sicht: „die ist nicht dicht.“

Gegen 21:45 Uhr, ca. 3 Std. nach der Notaufnahme, erhielt ich das erste mal Schmerzmittel am Tropf. Der Tropf dauerte ca. 1/2 Std., zwischenzeitlich blickte die Ärztin durch, das sehr viel zu tun sei, sie sich aber umgehend um mich kümmern wolle.
Gegen 23:15 Uhr entschied die Ärztin, das ich stationär aufgenommen sei, da das Schmerzmittel keine, bzw. so gut wie keine Wirkung zeigte. Gegen Mitternacht war ich dann auf dem Krankenzimmer. Die letzte Mahlzeit hatte ich Morgens, aber es gab ja reichlich Wasser.

Die nächsten Tage liefen Krankenhaus-spezifisch ab, Schmerzmittel, Zugang legen, Tropf erhalten…
Morgens kam für eine zeitlang eine sehr junge Schwesternschülerin in unser Zimmer, und fragte „na, wie geht es denn heute unseren Schmerzen?“ Unser Puls betrug „so um die 93“, und „der Blutdruck etwa…“

Auf meine Frage beim Schwesternzimmer, ob eventuell eine Möglichkeit bestünde, eine Wärmequelle für mich zur Linderung meiner Schmerzen zu nutzen, wie Wärmflasche, Heizdecke, o.ä., wurde von der O-Schwester gesagt, „hama nich, dürfen wa nich, gibtesnich“. Ein Pfleger, der dabei stand, kam kurze Zeit später in mein Zimmer, und meinte, „machense sich nichts draus, die isimmmer so“

Bei der Gelegenheit eine wichtige Sache: störe niemals beim Schwesternzimmer, wenn dort fröhliches Lachen zu vernehmen ist, oder das Klappern von Kaffeetassen. Denn zu dem Zeitpunkt werden Infos ausgetauscht, jeder Patient würde als Störmoment auftreten, und den weiteren Tagesablauf empfindlich beeinflussen. Ebenso vermeide eigene Ideen in deiner Behandlung zu erwähnen.

Bei Treffen am Smoker-Point waren immer interessante Erlebnisse der Patienten zu erfahren, eine davon war jedoch Haarsträubend. Es waren Patienten gleichen Nachnamens, sowie gleichen abgekürzten Vornamens auf Station, jedoch unterschiedlichen Geschlechts. Patient D. männlich, erhielt Phsychiopharmaka, Schmerzmittel etc.; Patientin D., weiblich, hatte Hüftleiden, erhielt Schmerzmittel usw. Aufgrund der Namensgleichheit wurden Teile der Krankenakten vertauscht, Mittel falsch verabreicht, und zu falschen Untersuchungen abgeholt (Patient D. ohne Hüftleiden sollte zum Röntgen). Irgendwann später liefen plötzlich viele Patienten mit Namensschildchen am Arm durch die Gegend, aber nicht alle.

Am 30.9.2014 begann meine Schmerztherapie.

Ich hatte Glück, von einem 4-Bett-Zimmer auf ein 2-Bett-Zimmer verlegt zu werden. Der Mitpatient muss so um die halbe Tonne gewogen haben, zumindest war er nicht in der Lage, in seinem Bett zu liegen − in keiner einer Lagen.

manne

Das juckte mich solange nicht, bis es Nachts wurde. Gegen 22 Uhr holte er mit viel Geächze seine Darth-Vader-Schlafmaske aus dem Nachtschränkchen, breitete sich mit vielen Kissen und noch mehr Geächze auf einem der Stühle aus, baute die Maske am Tisch auf, und schmiss die Höllenmaschine an. Zur Zeit lief noch ein Film im TV, also habe ich den Ton ein wenig lauter gestellt, um das „ich-bin-dein-vater-gestöhne“ zu neutralisieren. In der Annnahme, das die Maske irgendwann nachts wieder fallen würde, die Kallies Ebenbild schmückte, habe ich sehr lange TV geschaut.

Meine Hoffnung wurde aber lautstark enttäuscht − Messung ohne TV-Ton ergab einen Pegel von über 70dB, was dem Geräusch eines 1 m entfernten Rasenmähers entspricht. So war ab Mitternacht an Schlaf nicht zu denken, worauf ich die Schwester unter Hinweis auf die Lautstärke bat, eine Lösung zu finden. Wir fanden diese in einem leerstehendem Zimmer, in welches wir mein Bett schoben. Damit war gegen 1 Uhr morgens Schlafenszeit, morgens gegen 7 wurde alles wieder rückgängig gemacht. Diese Aktion fand drei mal statt, beklagt habe ich mich nicht darüber, dazu später eine Anmerkung.

Darth Vader Maske

Mit diesem Zimmernachbarn hatte ich überwiegend Gespräche um das Essen und Krankenhaus kreisend.

Mein Zimmernachbar saß immer 15 Minuten bevor es Essen gab, am Tisch. Jeden Tag war seine Frau mit Kuchen und weiteren Tupperleschalen bewaffnet zu Besuch.

Tupperschale

Wenn das Frühstück auf dem Tisch stand, wurde das erste Brötchen mit all dem Käse und Wurst vollgestopft, und runtergeschlungen. Der Rest der Brötchen (3) wurde zugekleistert mit den süßen Sachen (Marmelade usw.). Zwei Scheiben Brot wurden mit der von seiner Frau mitgebrachten Hausschlachtewurst, die in den Tupperleschalen waren, beschmiert, und als letztes geschlungen. Das Geschlinge hat keine 20 Minuten gedauert, Beilagen wie Ei und Obst waren natürlich auch verputzt. Exemplarisch für ein Mittagessen (es gab Eintopf): zwei dabeistehende Brötchen wurden allesamt in den Eintopf klein geploggt, Salz und Pfeffer drauf, alles ausgiebig vermanschen, und runtergeschlungen. Danach gab es Restkuchen vom Vortag. Nachmittags kam die Ehefrau zu Kaffee und mitgebrachtem Kuchen. Abends wurde das Abendbrot ähnlich dem Frühstück vertilgt, natürlich wieder mit guter Hausschlachtewurst.

Der Patient war übrigens Schmerzpatient, und klagte über alles und jedes. Alles war ja doch nur Mist, und half nichts. Das Essen taugte seiner Meinung nach nichts, ebenso wie die Betreuung.

Mir wurde die Sache zu bunt (ich habe gemeinsame Schweinemahlzeiten gemieden), und ihm mit deutlichen Worten gesagt, das er dabei sei, sich totzufressen. Ebenso hatte ich ihm gesagt, das er esssüchtig sei, und wenn er nichts daran ändern würde, nicht gleich der Tod käme, sondern Zucker, Infarkte, Schlaganfälle uwm. Das Vergnügen mit dem Patienten endete nach 4 Tagen.

Wo lang?

Zwischenzeitlich gab es einige Kommunikationsschwierigkeiten, welche Medikation in welcher Höhe, aber das war wohl üblich im Hause. In meinem Fall wurde anfangs Opiatmedikament A mit bestimmter Dosis verordnet, das Mittel hatte durchschlagenden Erfolg, was nachts im Bett sichtbar war. Auf meine Frage nach einem Beipackzettel wurde höflich, aber bestimmt verneinend die blonde Mähne geschüttelt. Ca. 2 Tage später erhielt ich ohne Info oder Rückspräche ein opihathaltiges Schmerzmittel B, mit ähnlichem Wirkstoff. Das hatte ich, bzw. mein Körper deutlich an signifikanter Zunahme meiner Schmerzen erfahren. Auf meinen Protest hin, das es sich hier nicht um Aspirin handele, und ich wenigstens informiert werde möchte, hieß es, das der Arzt nicht litaneihaft jedem Patienten erklären könne, warum. Als letztes Mittel erhielt ich Temgesic 0,1 mg, ohne Anleitung einer Einnahme (wie weitere Patienten auch), oder Beipackzettel. Natürlich habe ich die halbe Tablette geschluckt. Die Wirkung war, weil ich zum ersten Mal so ein Mittel genommen hatte, katastrophal. Näher kann ich die nächsten Stunden nicht beschreiben: ich bewegte mich, war aber unbeweglich; ich atmete, und bekam keine Luft; ich spürte, aber verspürte nichts. Später, als mein Körper sich gewöhnte, wurde die Dosis erhöht auf 3x 0,2 mg, was aber wohl vergessen wurde einzuhalten, ich bekam weiterhin 0,1 mg. Erst im Gespräch mit der Ärztin stellte sich dieser Fakt heraus.

Während der Phase der Umstellung erwischte mich (laut Ärztin) ein Keim. Ich hatte schon länger das Gefühl, das sich eine Erkältung anbahnen würde, und hatte das mitgeteilt.

Keim

Geschildert hatte ich Gliederschmerzen, Halsschmerzen, erhöhte Temperatur usw. So recht geschehen ist nichts, erst als ich Morgens total in den Seilen hing, und alles mögliche abgelehnt hatte, kam Bewegung in die Behandlung. Dr. Schmerztherapeut tauchte plötzlich auf, der Oberarzt erschien abseits der Visite. Gelegt wurde von der Ärztin ein dicker, noch sehr lange schmerzhafte Zugang, aufgrund der Aussage, das meine Entzündungswerte immens hoch sind, und das da eine extra umfangreiche Antibiotika-Behandlung über die Vene erfolgen müsse. Tabletten würden da nicht helfen, zudem sollte ich Natriumchloridlösungen erhalten. Gelegt wurde der Zugang Sonntag morgen, nachmittags hatte ich telefonisch versucht in Erfahrung zu bringen, wie es weiter geht, doch bis kommenden Montag 17:30 Uhr passierte über diesen Zugang gar nichts, der Zugang war so nützlich wie ein Kropf und verursachte unnötige Schmerzen.

Dienstag begann alles wie mit einem Paukenschlag. Plötzlich sollte ich zur Ultraschalluntersuchung, kaum war ich fertig auf Station, wurde ich zur Schmerzbehandlung abgefangen, obwohl Mittagszeit. Doch die Schmerzbehandlung war alles in allem ein Segen in Form einer Infusion mit versch. Mitteln, sowie einer lokalen Anästhesie, die ich mir nie habe entgehen lassen. Während einer dieser einstündigen Sitzung war ich in der Lage, soweit Tiefenzuentspannen, das ich einen Puls von 50 hatte. Das war das absolute Highlight für mich.

Der schmerzhafte Zugang wurde immer noch nicht genutzt. Warum wurde später damit erklärt, das auch Tabletten reichen würden.

Meine bisherige Ansprechärztin war mittlerweile immer öfters nicht für mich erreichbar. Eigentlich hatte ich vor, meine Therapie bis zum Ende mitzumachen. Dann aber kam eine neue Ärztin (Internistin). Die Blutabnahme durch sie war, als wenn sie in ein totes Stück Fleisch sticht, und nochmals kurz die Nadel grob korrigiert. Im Laufe der Zeit waren bereits an beiden Armbeugen und Handgelenken etliche Einstichstellen entstanden. Die Unterhaltung mit dieser Ärztin war ein Monolog und von oben herab geführt. Falls ich mal etwas sagen wollte, wurde ich unterbrochen. Ich wußte sofort, wenn meine Entzündungswerte im grünen Bereich wären, wäre meine Therapie beendet. So äußerte ich den gleichen Nachmittag nach Kenntnis der aktuellen Werte meinen Wunsch gegenüber dem Oberarzt, das ich meine Therapie gern beende möchte.

Denn noch ein gravierendes Moment, welches ich zu Anfang erwähnte, bestärkte mich in meinem Entschluß. Zum Ende meines Aufenthaltes hatte ich Einblick in meine Patientenakte. Viele der Einträge entsprachen nicht den Tatsachen. Da das ein Dokument ist, und so auch scheinbar kleine Kleinigkeiten in der Summe zählen, war ich bestürzt, was dort zu lesen war. Zum Beispiel mit der nächtlichen Lösung, mein Bett in einen anderen Raum zu schieben. „Der Patient fühlte sich in seiner Gesundheit bedroht“ stand dort zu lesen. Habe ich nie geäußert, nichtmals ansatzweise. Zudem hatte ich im Dokument Bleistifteinträge erkannt, welche nicht Dokumenten-echt sind.

Ich begehe aber nicht den Fehler, „du meinst den Esel, und prügelst den Sack“. Ich gebe weder dem Pflegepersonal die Schuld, noch den Ärzten für die desolaten Zustände. Denn wie immer stinkt der Fisch vom Kopf her. Politisches agieren hat die Gesundheitspolitik in die heutige Sackgasse getrieben, ausbaden dürfen das erst die Beschäftigten im Gesundheitswesen, und Letztlich Du und ich. Beispiel: an Wochenenden wurde die Station mit einer Schwester besetzt, was unverantwortlich ist. Was, wenn diese plötzlich zusammenklappt?

Die Frage erübrigt sich, „is‘ was Doc?“

Wer hier aufgibt, hat schon verloren. Meine Beendigung der Therapie betrachte ich als Anfang für eine nächste Maßnahme, die ab 25. November beginnt.